"…Das alles und noch viel mehr"

1. August bis 07. September 2014

 

Wie der alliterarische Name schon andeutet ist Herr Sander Künstler. Und zwar eine Art Universalkünstler, der vielseitig interessiert ist. Er ist nicht nur bildender Künstler und Kunstdokumentarfilmer sondern auch Musiker, der sogar schon eine Einladung von Michail Gorbatschow erhielt. Zudem hat Herr Sander den „Ars Natura“ initiiert, der längste Kunstwanderweg Europas, der sich mittlerweile durch Hessen und Thüringen über 300 km mit 350 Kunstwerken erstreckt.

Auch in der in der malerischen Ausdrucksweise ist Herr Sander vielseitig, was die Ausstellung „... das alles und noch viel mehr“ verdeutlicht, die noch bis 7. September in der Kunsthalle Willingshausen zu sehen ist. Es werden Zitate einzelner Schaffensphasen der letzten zehn Jahre gezeigt, die mal monochrom minimalistisch, mal surreal-abstrakt sind. Gemein ist den Werken der erdige Ton, der in nicht nur in seinen Erdmalereien, sondern auch in den Pastellen und Metalldrucken immer wieder auftaucht. Herr Sander hat, so könnte man vielleicht etwas flapsig formulieren, ein Faible für Erden. Er selbst sagt, da er auf dem Land lebt (in Spangenberg), arbeitet er mit dem, was er dort vorfindet: viel Natur und damit auch Erde.

Aber es steckt sicher noch mehr hinter diesem Interesse an Erdfarben. Zunächst ist es vermutlich die Faszination, wie viele unterschiedliche Farben Erde haben kann, wenn man erst einmal richtig hinschaut und darauf achtet. Die Farben changieren von Rostrot über Brauntöne bis hin zu hellem Grün, je nach Fundort der Erde. Herr Sander ist viel gereist und hat auf der ganzen Welt Steine und Erden gesammelt. Die gemahlenen Farben trägt der Künstler mit einem Schwamm auf und übermalt sie anschließend noch einmal mit Öl.

Zudem hat Erde eine zutiefst elementare, existentielle Bedeutung: aus ihr wächst alles Leben, entsteht Neues und vergeht wieder in ihr. Und dennoch wird Erde im Alltag nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Dass Herr Sander dieses Element gleichfalls zum Medium und Inhalt seiner Malerei macht, weist mehr als deutlich auf die enorme Bedeutung hin.

In einigen seiner Erdbilder spielt allein der Farbton eine Rolle: Monochrome Flächen in Beige, Braun und Rostrot begrüßen Sie bereits beim Betreten der Kunsthalle im Aufgang. Der Spruch darunter: „Wenn die Ruhe keinen Platz mehr findet und die Stille keinen Raum, dann wird das Laute zur Kathedrale“ hat beinahe etwas Meditatives und legt die Assoziation mit den Farbflächen von Mark Rothko nahe, der den Betrachter zur Meditation vor seinen Bildern animierte und an eine intensive Verknüpfung von Farbe und Seelenzustand des Menschen glaubte.

In anderen Erdbildern zeigt Sander in naher Ansicht Formen, vielleicht verrostete Metallteile oder Steinklumpen. In diesen Werken spielt der Künstler in zweifacher Weise mit der Perspektive: einerseits haben die Bilder bereits durch die Anordnung der gemalten Objekte darin eine Tiefenwirkung, andererseits trägt er tatsächlich dreidimensionale Objekte, wie Fäden, aufgenähte Stoffteile und Steinmehl auf seine Bilder auf und lässt sie somit plastisch, fast reliefartig werden. Auch das unterschiedlich farbige Steinmehl hat Herr Sander an verschiedenen Orten Europas, von Polen bis Frankreich gesammelt.

So erhält er nicht nur unterschiedliche Farbtöne, sondern gibt seinen Werken auch eine Geschichte, eine Art kosmopolitischen Touch, der verdeutlich, dass sie nicht nur Spangenberger Atelier gemalt wurden, sondern der Entstehungsprozess sich auf verschiedene Orte in Europa und sogar auf der Welt erstreckt.

Bemerkenswert sind die psychodelisch wabernden Ornamente in seinen Werken mit Pastell auf Leinwand. Eine ungewöhnliche Technik, die einen extrem hohen Farbabrieb fordert. Auf erdigem Grund trägt der Künstler grelle Blau-, Rot- und Gelbtöne auf, die einen krassen Kontrast bilden, ohne disharmonisch zu wirken. Herr Sander sagte im Vorgespräch über die abstrakten Bilder: „Das Auge möchte etwas sehen“ und so kann jeder Betrachter seine eigenen Assoziationen zu den Werken haben. Bemerkenswert ist in jedem Fall, dass diese Bilder nicht statisch sind, sondern bewegt wirken.

Auch eine noch recht neue, experimentelle Richtung des Künstlers wird in der Ausstellung gezeigt: Drucke auf Metall, die auf Zeichnungen des Künstlers basieren, die digital bearbeitet und auf Metallplatten gedruckt werden. Sie zeigen Strukturen, die ebenfalls unterschiedliche Assoziationen zulassen: von Erdstrukturen über organische Muster bis hin zu Baumrinden. Alles wird so nah gezeigt, dass nicht mehr genau zu erkennen ist, was dargestellt ist, da das große Ganze fehlt. Statt dessen erschafft der Künstler eine Art Mikrokosmos, einen Fokus auf Strukturen, die man nur von ganz nahem sieht und die man meist übersieht. Dabei tut sich eine ganz neue, andere Welt auf.

Die Jubiläumsausstellung zu seinem 60. Geburtstag in Willingshausen ist für den Künstler „eine Ode an den Landkreis, dessen künstlerisches Zentrum Willingshausen ist“.